Allgemein · Kultur

„Wilhelm Tell“ – Mehr als nur der Apfelschuss

Heute feierte die Oper  „Wilhelm Tell“  von Gioachino Rossini im Kieler Opernhaus Premiere. Nachdem ich dieses Jahr im März „Die Reise nach Reims“ geschaut hatte und damit auch zum ersten Mal eine Oper besuchte, wollte ich mir nun die etwas ernstere Oper ansehen. Im Vorfeld hatte ich ein wenig die Sorge, dass es langweilig werden könnte. Zum einen, weil ich den Inhalt des Stückes schon kannte und zum anderen, weil mir auf dem Weg zu meinem Sitzplatz nur Menschen begegneten, die mindestens 30 Jahre älter waren als ich selbst. Aber ich sollte mich erneut irren. Heute Abend war  der Abend, der mir gezeigt hat, warum die Oper vollkommen zu Recht eine der schönsten Arten der Unterhaltung ist. Das Stück, bei welchem Fabio Ceresa Regie führte, hat mich nicht nur begeistert, sondern im Herzen berührt.

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Kurz vor dem berühmten „Apfelschuss“ Foto: Olaf Struck

Der Vorhang ging auf und es lag ein Hauch von Magie in der Luft. Die Bühne war dunkel unterbrochen von etwas helleren Stellen. Es war, als würde sich jemand im Schatten bewegen und doch im Licht stehen. Man erkannte ein knallrotes Instrument und die kurzen, wilden Locken eines Jungen. Das Stück begann und keiner sang. Die Musik zusammen mit dem Schauspiel erzählte die Geschichte und gespannt lauschte ich den Klängen, als würden sie mir die schönsten Reime zuflüstern.

Schließlich wurde es auf der Bühne heller und die Kostüme sichtbar. Die ersten Szenen mit größeren Menschenmengen wurden gespielt und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Kostüme waren nicht nur atemberaubend schön und haargenau auf die einzelnen Charaktere abgestimmt, sie waren mit einer ungeheuren Liebe zum Detail gemacht, sodass ich nur ahnen konnte, wie viel Zeit und Energie in den einzelnen Kleidungsstücken, stecken mochte.

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Foto: Olaf Struck

Ebenso musste es wohl auch bei dem Schauspiel und der Musik sein. Die verschiedenen Stimmen hatten mich innerhalb von Sekunden in ihren Bann gezogen und ich erlebte die Geschichte in meinem Herzen mit. Als Mathilde singend weinte, war mir auch nach der ein oder anderen Träne zumute und doch war ich einfach nur glücklich etwas so schönes miterleben zu können. Die Musik des Orchesters, der Gesang, das Bühnenbild. All dies war so mühevoll gestaltet worden und stürmte jetzt mit all den Empfindungen auf mich ein. Gesungen wurde in französischer Sprache und doch war es nicht unbedingt notwendig, die Übertitel immer mitzulesen. Man konnte allein durch Gesang, Gestik, Mimik und die Musik des Orchesters fühlen, was die Charaktere zu bewegen schien.

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Foto: Olaf Struck

Die Handlung war, obwohl ich das gleichnamige Stück Friedrich Schillers erst einige Tage zuvor gelesen hatte, wirklich spannend. Wilhelm Tell lehnt sich mit einigen anderen Schweizern gegen die Tyrannei und Unterdrückung auf. Rossini hatte sich allerdings auch nicht nur an Schillers Werk, sondern auch an einigen anderen Schriftstellern orientiert. Außerdem dichtete er eine Figur dazu, welche in der ursprünglichen Sage nicht auftaucht. So kam noch eine Liebesgeschichte zwischen der österreichischen Prinzessin Mathilde und einem Schweizer Bürger dazu.

Es verhielt sich ein wenig wie bei dem Film und dem Buch „Der Hobbit“. Das Buch von Tolkien gefiel mit super, sowohl vom Schreibstil als auch vom Inhalt. Der Film vertauschte zwar einige Handlungsstränge chronologisch, dichtete eine Liebesbeziehung dazu, wo im Buch keine war und ließ einiges, was mir im Buch wichtig gewesen war weg, war aber dennoch als Film ein Meisterwerk. Aber eben nur auf Grundlage des Buches, nicht als Buchverfilmung. Für mich verhält es sich bei Rossinis Oper und Schillers Roman ebenso. Der Roman ist genial. Die Oper ebenso, dennoch fehlten mir in der Oper teilweise Stellen, die mir im Buch wichtig waren. Andererseits wurden wieder Dinge dazu gedichtet, so dass Tell noch mehr Hauptfigur wurde, als er im Buch eigentlich war. So war Tell  zum Beispiel in der Oper auch bei dem Zusammentreffen im Wald  mit den Aufständischen dabei, wo er im Buch abwesend gewesen war. Was meiner Meinung nach aber auch besser zur Handlung passt.

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Foto: Olaf Struck

Spannend inszeniert war, dass in dem Stück, in dem es um einen Aufstand, einen Kampf geht, keine einzige Waffe zu sehen war. Stattdessen wurden Instrumente gespielt und die Saiten von Streichinstrumenten kämpferisch in die Höhe gehalten.

Alles in allem muss ich sagen, dass mich die Oper Kiel ein weiteres Mal verzaubern konnte. Nicht nur durch die unglaublichen Stimmen der Sänger*innen, die einen ganzen Raum ausfüllen können. Nicht nur durch die unglaublichen Kostüme. Nicht nur durch die fantastische Musik. Nicht nur durch den künstlerischen Bühnenaufbau, das Schauspiel oder die Lichtgestaltung. Nein, ein Zusammenspiel all dieser Dinge, die sonst alleinstehend schon von wahnsinniger Schönheit sind, ist es was mich erneut dazu veranlasst hat meine Liebe für die Oper zu entdecken und selbige glücklich zu verlassen. Ein Wiedersehen folgt bestimmt.

P.s.: Nochmals vielen Dank an das Theater Kiel, welches mir für diesen Artikel die Opernkarten zur Verfügung stellte.

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