Gestern war es für mich trotz Kieler Woche mal wieder Zeit in die Oper zu gehen. Zu sehen gab es zwei russische Opern, die durch eine Pause getrennt gemeinsam aufgeführt wurden. Russische Oper. Wie stellt man sich das vor? Wenn ich an Russland denke, sehe ich schneeweiße Berge, unendliche Landschaften und Bären vor meinem inneren Auge. Ich denke an lustige Musik, ehrliche Menschen, die ausgelassen tanzen aber auch trauern können. Alles ist ein bisschen rauer, aber irgendwie auch herzlich (leider war ich bisher noch nicht in Russland, aber das ist so in etwa meine Vorstellung von diesem riesigen Land).

Aleko und Francesca da Rimini sind beides Stücke, in denen ein eifersüchtiger Ehemann einen Doppelmord begeht. In beiden Stücken liebt die Frau nicht oder nicht mehr den Ehemann sondern begehrt einen anderen mit der Leidenschaft, der sich der Ehemann eigentlich von ihr erhofft. Am Ende steht der Ehemann ganz alleine da und fühlt sich noch einsamer als zuvor. Die Handlung an sich fand ich in beiden Stücken sehr realitätsnah. Oper nehme ich meistens als übertrieben wahr, alles ist irgendwie „zu viel“. In diesem Stück jedoch war die Hingabe, mit der Francesca und Paolo gemeinsam singen, wie sehr sie einander doch begehren nicht übertrieben. Beeindruckend war auch die Szene, in der der Liebhaber von Alekos Frau ihr erzählt, das Herz eines Mädchens gleiche dem unaufhaltsamen Wandern des Mondes, dem auch niemand befehlen könne, an einer bestimmten Stelle anzuhalten ebenso, wie niemand dem Herzen eines jungen Mädchens befehlen könne immer nur einen zu lieben und sich nie zu verändern. Trotz dieser sehr gewaltigen, irgendwie kitschigen Metapher passte sie in den Augenblick. Ebenso, wie Romantik keine Grenzen kennt und die schönsten Worte, mögen sie noch so kitschig klingen, wenn sie ehrlich sind, ein Feuer im Herzen auslösen können, das keine Normen dieser Welt löschen kann.

Ebendieses Feuer im Herzen bekam man auch als Zuschauer zu spüren. Nicht nur durch die schauspielerischen Leistungen der Sänger, durch ihren Gesang, sondern auch ganz extrem durch das Instrumentale. In beiden Stücken gab es lange instrumentale Phasen ohne Gesang. Zusammen mit einer Inszenierung, die ausgesprochen künstlerisch war, saß zumindest ich gefesselt und zwischenzeitlich sogar ein Tränchen vergießend in dieser wirklich tollen Oper. Ich denke, dass es möglich ist, unfassbar viel in die Inszenierung hinein zu interpretieren, weil sie einfach so vielschichtig war.

So gab es zum Beispiel einen Pro- und Epilog der in der Hölle, wie sie in Dante beschrieben hatte, spielte. Ich möchte jetzt nicht genau darauf eingehen, wie ich das Ganze interpretieren würde, finde aber, das die Darstellung der Sünder auch für jemanden, der wie ich noch nicht wirklich viel über Dantes göttliche Komödie gelesen hat, ziemlich berührend war und mich ebenso, wie das ganze Stück zum Nachdenken gebracht hat. Zum Nachdenken darüber, wie man damit umgeht, wenn Gefühle und Vernunft sich wiedermal nicht einig sind. Darüber, wie sich Liebe in jungen Jahren von älterer unterscheidet und wie Menschen sich aufgrund ihrer Religion verhalten oder welche Dinge sie nicht tun aus Angst vor dem Jenseits. Ich denke, all diese Themen könnten allein und für sich noch einmal mindestens vier weitere Artikel einnehmen und so finde ich es umso beeindruckender, dass diese eine Aufführung es geschafft hat so viel Input zu geben und all diese Themen aufzugreifen ohne sie dabei nur oberflächlich zu berühren. Letztendlich muss ich sagen, dass mir die Oper sehr gut gefallen hat, trotz dessen, dass es Abschnitte gab, die so viel Bedeutung zu haben schienen, dass mir nicht genau klar war, was sie jetzt eigentlich zu bedeuten hatten.
Zu sehen gibt es die Oper aktuell im Theater Kiel 🙂