Ich liebe klassische Literatur. Allem voran Goethe und Schiller. Das Werk „Die Räuber“ von Friedrich Schiller, welches aktuell als „Rock-Oper“ im Theater Kiel gezeigt wird, habe ich allerdings noch nicht gelesen. Überall in Kiel wird mit der Mischung aus Theater und Gesang in einer modernen Fassung geworben. Aus diesem Grund dachte ich, dass es schlau wäre, ganz unvoreingenommen an die Sache heranzugehen und sich das Ganze einfach anzusehen.
In dem Stück geht es um zwei Brüder: Karl und Franz Moor. Franz ist ein intriganter, aber irgendwie auch verzweifelter Charakter, der denkt er bekäme zu wenig Liebe von seinem Vater. Die Schuld sieht er in der engen Beziehung zwischen seinem Bruders Karl und seinem Vater (der alte Moor). Aus diesem Grund versucht er mit allen Mitteln diese Beziehung zu zerstören und Karl denkt letztlich er sei von seinem Vater verstoßen worden und zieht sich mit seinen Leuten in den Untergrund zurück.

Karl selbst hat edle Motive und ist in seinem Handeln ein wenig mit Robin Hood vergleichbar, wohingegen seine Räuberbande zu großen Teilen nur des Mordens und Plünderns wegen bei ihm ist. Als bei einem von ihnen gelegten Brand dann über 80 Menschen sterben, hat Karl starke Gewissensbisse und fragt sich, was er hätte tun können, um dies zu verhindern. Ob er und sein Vater sich am Ende wieder vertragen und ob Karl und seine große Liebe Amalia wieder zusammen kommen möchte ich hier nicht verraten, falls noch jemand das Stück anschauen oder das Buch lesen möchte.
Ich denke, dass es immer schwierig ist, ein Stück aus einer anderen Zeit in die heutige zu versetzen. Als Franz die Bühne betrat war ich erst einmal begeistert, dass der Text in den gewohnt schönen Zeilen Schillers gesprochen wurde. Einen harten Stilbruch dazu stellten die neuzeitlichen Kostüme dar. Aber es wäre machbar gewesen, beide Komponenten zu vereinen. Ich muss sagen, dass ich kein großer Fan der Kostüme war. Die Räuberbande war im Stil von Straßenpunks dargestellt oder hätte es sein sollen. Das Problem war, dass die Lederjacken und zerfetzten Strumpfhosen viel zu neu wirkten um authentisch zu sein. Man hatte das Gefühl, die Schauspieler seien verkleidet, was schade ist, weil der Grundansatz der Kostüme echt gut war. Es fehlte nur ein bisschen Dreck hier und ein Brandfleck dort.

Die Handlung an sich fand ich wirklich spannend und die Umsetzung mit Karls Gewissensbissen gerade in Bezug auf die jüngsten Ereignisse bei den G20-Protesten in Hamburg echt spannend. Was macht man als politischer Aktivist, wenn man Menschen in seinen Reihen findet, die im Namen seiner Bewegung Dinge tun, die man selbst nicht vertritt? Wie kann man verhindern, dass plötzlich Kleinwagen der Unterschicht brennen und wie der Öffentlichkeit klar machen, dass das nicht in seinem Sinne ist? Das Stück liefert keine Antworten auf diese Fragen, regt aber an darüber nachzudenken.
Die Räuberbande war kämpferisch und voller Tatendrang dargestellt. Dazu passte auch die Musik. Ohne Gesang hätte mir die sehr laute Musik, die eine Aufbruchstimmung vermittelte auch ganz gut gefallen. Die Umsetzung inklusive Gesang war allerdings absolut nicht mein Ding. Man hat leider einfach gemerkt, dass die Schauspieler keine ausgebildeten Sänger sind. ich bewundere regelmäßig die schauspielerischen Leistungen dieser Künstler, muss aber sagen, dass ich nur sehr wenige von ihnen gerne singen höre. Der Text der Lieder stellte außerdem einen absoluten Stilbruch zu Schillers wunderschöner Lyrik dar. Die Band „Kettcar“ war ja für die Musik verantwortlich und hat auch die Songtexte geschrieben. Als Lyrikliebhaberin ist mir leider allzu häufig aufgefallen, dass die Lieder sehr unregelmäßige Metren hatten und man beim zuhören über Stellen „stolperte“. Außerdem waren sie eher in der Sprache des 21ten Jahrhunderts geschrieben, was wirklich verwirrend war. Ich denke, es wäre besser gewesen, die Sprache einheitlich „alt“ und die Kostüme und Teile der Handlung „neu“ zu gestalten.

Die beiden Brüder Karl und Franz waren herausragend gut gespielt. Franz als intrigantes Arschloch war einem gleich zutiefst unsympathisch. Das muss man als Schauspieler erst einmal schaffen. Genauso fieberte man mit Karl mit und konnte seinen Schmerz, seine Trauer, seine Wut und seinen Tatendrang förmlich spüren.
Letztlich muss ich sagen, dass ich leider doch eher enttäuscht war. Ich konnte nicht wie gewohnt in das Stück eintauchen, da mich die mangelnde Authentizität der Kostüme und vor allem die Lieder immer wieder aus der Atmosphäre der Handlung heraus rissen. Die Idee und auch die Handlung an sich fand ich aber echt schön, genauso wie die Tatsache einmal mit einem vergleichsweise wirklich jungem Publikum im Saal zu sitzen.